„Konferenz Islamischer Landesverbände/KILV“
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Die Mitglieder der „Konferenz Islamischer Landesverbände“ befassten sich in ihrer heutigen Sitzung in Offenbach am Main u.A. mit der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ und gaben folgende gemeinsame Presseerklärung heraus:
Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich hat mit seiner ersten Stellungnahme zur Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ erneut gezeigt, dass er als Innenminister eine Fehlbesetzung ist. Darin heißt es: „Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiösfanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben – dies klarzumachen, ist die Aufgabe eines jeden“.
Wenn Bundesinnenminister Friedrich als Auftraggeber, stellvertretend für das Bundesinnenministerium, und als für Integrationsfragen zuständiger Bundesminister, aus einer derart umfangreichen Studie solch eine undifferenzierte und plumpe Schlussfolgerung in einer drohenden Weise zieht, dann ist es schade um die Mühe der Autoren und die Steuergelder, die die Erstellung gekostet hat. Er hätte gut daran getan, die Studie mit seinen Fachleuten zunächst selbst gründlich zu lesen und erst dann öffentlich aufzutreten. Seine erste Stellungnahme zeigt eindeutig, dass er den eigentlichen Inhalt der Studie gar nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte (siehe den diesbezüglichen Gastbeitrag von Peter Holtz, Mitautor der Studie, auf Spiegel-Online). Es scheint, als wollte er sich der Studie, ohne inhaltliche Zusammenhänge zu beachten, als Stichwortgeber für billigen Populismus und Stimmungsmache gegen den Islam und die Muslime bedienen. Er beschädigt damit das Restvertrauen zwischen ihm und den Muslimen sowie den islamischen Verbänden. Wir sind enttäuscht und zum Teil fassungslos über das Vorgehen des Ministers, wie im Übrigen auch die Autoren der von seinem Ministerium in Auftrag gegebenen Studie. Wäre es ihm um den Dialog, die Integration und die Partizipation gegangen, hätte er die Studie zum Beispiel bei der Islamkonferenz gemeinsam mit den Wissenschaftlern und den islamischen Verbänden bewerten und Schlussfolgerungen ziehen können. Nach unserer Überzeugung ist ein solcher Minister, für den Integration nur eine medienwirksame Worthülse ist, der Vorurteile und Ängste schürt und die Gesellschaft spaltet, in einer verantwortungsvollen Position gänzlich ungeeignet.
Als Mitglieder der Konferenz Islamischer Landesverbände begrüßen wir die Studie grundsätzlich – unter Vorbehalt eigener Kritik an einigen Aussagen und zur Methodik der Studie – und danken den Autoren gerade deshalb, weil sie versucht haben, sachlich und detailliert, die vielfältigen Lebenswelten junger Muslime in Deutschland zu untersuchen. Die Studie befasst sich überwiegend und zutreffend mit den Ursachen fehlender Integration bei manchen jungen Muslimen und mit den zielgerichteten und konkreten Lösungsansätzen. Wie die Autoren in ihrer Studie zurecht feststellen, verpflichtet Integration sowohl die sog. Migranten als auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft dazu, ein neues Verständnis für die eigene und die gemeinsame Identität zu entwickeln und so kulturellen und sozialen Veränderungen auf beiden Seiten besser begegnen zu können. Vielmehr geht es, nach Ansicht der Autoren, dabei um die Notwendigkeit, die faktisch ständig stattfindenden kulturellen und sozialen Veränderungen wahrzunehmen und diese als unumgänglich und potenziell bereichernd (statt bedrohlich) für die Mitglieder der Mehrheitskultur anzuerkennen. Abschließend betonen die Autoren, dass die Anerkennung und Förderung der kulturellen Vielfalt zurecht als Gewinn, sowohl für alle in Deutschland lebenden Menschen(gruppen) als auch für den „Standort Deutschland“ als moderner, toleranter, weltoffener und damit für die Welt attraktiver Staat mit Vorbildwirkung, zu sehen ist.
Wir Muslime sind Teil der kulturellen Vielfalt und der pluralistischen Gesellschaft in Deutschland. In diesem Sinne sehen wir uns und handeln als Mitbestimmer und Mitgestalter dieser kulturellen Vielfalt und der pluralistischen Gesellschaft. Deshalb wollen wir von den Mitgliedern der Mehrheitskultur und dem Staat nicht als Objekte, über die Entscheidungen getroffen und Beschlüsse gefasst werden, wahrgenommen und behandelt werden. In diesem Zusammenhang lehnen wir als Mitglieder der „Konferenz der Islamischen Verbände“ auch strikt ab, dass der Islam und die Muslime vom Bund und den Ländern ständig im Rahmen der Sicherheitspolitik und wir als islamische Verbände nur als Sicherheitspartner behandelt werden.
Zum Schluss rufen wir den Bund und die Länder, die Mehrheitsgesellschaft, Migranten und Muslime sowie die Politik und Medien auf, die in dieser Studie herausgearbeiteten Daten sachgemäß zu verstehen und wiederzugeben, die darin gegebenen Lösungsvorschläge zu beherzigen und somit ihren Beitrag zur Weiterentwicklung Deutschlands zu einem modernen, toleranten, weltoffenen und attraktiven Land mit Vorbildwirkung zu leisten.
Offenbach am Main, den 10. März 2012
Unterzeichnet von:
Schura Bremen
Schura Hamburg
Schura Niedersachsen
Schura Schleswig-Holstein
Islamische Föderation Berlin
Bund der Muslime Thüringen
Islamische Religionsgemeinschaft Hessen/IRH
Koordinierungsrat Mecklenburg-Vorpommern
Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg