Klarstellung zu Prof. Khorchides theologischen Positionen und Aktivitäten bei Facebook in diesem Zusammenhang

Nach einem Interview mit uns in der türkischen Zeitung „Türkiye“ über Passagen in seinem umstrittenen Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ von Prof. Khorchide ist eine heftige und kontroverse Diskussion entfacht worden.

Um eventuelle Missverständnisse auszuräumen und über unsere Ansichten zu diskutieren, sind wir mit Prof. Khorchide auf Einladung des ZDF in der Sendung „Forum am Freitag“ in der Hamburger Centrum Moschee zusammen gekommen. Es war ein konstruktives Gespräch in einer freundlichen Atmosphäre. Nach der Sendung haben wir gemeinsam das Abendgebet verrichtet und auch Fotos für die Sendung machen lassen. Jedoch darf die muslimische Gastfreundschaft, die wir auch Prof. Khorchide erwiesen haben, nicht darüber hinweg täuschen, dass wir inhaltlich keineswegs eine Übereinstimmung zu seinen Thesen erzielt haben.

transVielmehr war die Verabredung so, dass wir eine gemeinsame Erklärung verfassen wollten, um weiteren Spekulationen in der Öffentlichkeit Einhalt zu gebieten. Insofern sind wir über das einseitige Vorgehen von Prof. Khorchide im sozialen Netzwerk Facebook überrascht, da er – ohne dies mit uns abzusprechen – Fotos von uns geteilt, diese einseitig kommentiert und damit einen falschen Eindruck der Öffentlichkeit suggeriert hat. Da Herr Prof. Khorchide sich an unsere Vereinbarung nicht gehalten hat, erachten wir es für notwendig, unsere Sichtweise zu veröffentlichen.

Wir stellen erfreulicherweise fest, dass Herr Prof. Khorchide seine ursprüngliche Behauptung, dass man auch Muslim sein könne, ohne an Gott zu glauben, in dem Gespräch mit uns klar korrigiert und sich hiervon distanziert hat. (Der Filmbeitrag auf ZDF „Forum am Freitag“ vom 08. März 2013 gibt insoweit nur verkürzt den tatsächlichen Verlauf des Gesprächs wieder.) Dennoch bleiben in seinem Buch unmissverständliche und klare Passagen über Gottesvorstellung, Gott-Mensch- Beziehung, Jenseitsvorstellungen, Offenbarung und Glauben, in welchem das Gottesbekenntnis und die Bedeutung der Glaubenspraxis relativiert werden, weiter bestehen.

Die Kritik an den Thesen von Prof. Khorchide rührt einfach aus der Sorge vieler Muslime heraus, dass den künftigen muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrern und somit unseren Kindern ein Wissen vermittelt werden könnte, welches nicht im Einklang mit den Glaubensgrundsätzen steht, die von der Mehrheit der Muslime anerkannt worden sind.

Wir als Vertreter von islamischen Religionsgemeinschaften bedanken uns bei allen, die sich aufrichtig für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen einsetzen. Wir unterstützen dieses Vorhaben nicht nur, weil damit einem verfassungsrechtlichen Anspruch auf bekenntnisorientierten Religionsunterricht genüge getan wird, sondern weil wir darin auch die Chance sehen, die Identifikation und die Beheimatung muslimischer Jugendlicher in Deutschland zu fördern. Diese Einsicht erfolgt in einem noch andauernden Prozess, da die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bzgl. der Vorgehensweise bei der Einführung von islamisch-theologischen Zentren an staatlichen Universitäten – vor allem die verfassungsrechtlich problematische Einschränkung bei der Einbindung der islamischen Religionsgemeinschaften – bei den Muslimen auf erhebliche Irritationen stieß. Mit dieser Entscheidung gab es unter weiten Teilen der muslimischen Gemeinschaft Befürchtungen, dass der Staat versucht sein könnte, Einfluss auf die Inhalte und Lehren des Islams zu nehmen. Diese Befürchtungen sind aufgrund der eigenartigen Konstruktion der Beiräte nachvollziehbar und längst nicht ausgeräumt.
Es ist uns auch in diesem Zusammenhang wichtig festzustellen, dass im Sinne Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz die Inhalte des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden. Dies gilt sowohl für den muslimischen als auch christlichen oder jüdischen Religionsunterricht.

Dies bedeutet keineswegs, dass es keine kritisch-analytische Forschung zum Thema Islam geben soll, da die Freiheit der Wissenschaft und der daraus resultierende Erkenntnisgewinn zum Wesen des Islams gehört. Daraus leiten auch vor allem die Universitäten ihre Existenzberechtigung ab. Doch möchten wir hier dringend auf die verfassungsrechtlich garantierte Sonderrolle der Theologie bzw. des Religionsunterrichtes hinweisen, wonach ihre Grundsätze – wie bereits zitiert – durch die Religionsgemeinschaften bestimmt werden. All jene, die sich mit den Glaubensgrundsätzen der Muslime identifizieren, können ihre wissenschaftliche Forschung, ohne den Anspruch bekenntnisorientierte Theologie zu betreiben, in die Islamwissenschaft oder Orientalistik verlagern und dort weiterführen. Dies ist Rechtslage in Deutschland und durch das Grundgesetz wie auch durch die langjährige Rechtspraxis des Bundesverfassungsgerichts im weltanschaulich¬neutralen Staat abgesichert.

Der Versuch, den Islam zu reformieren, indem seine Grundsätze relativiert bzw. in Frage gestellt werden, resultiert nicht selten auch aus der irrigen z.T. unbewussten Annahme, dass der Islam nicht mit rechtstaatlichen Prinzipien vereinbar sei. Diese Ansicht übernehmen paradoxerweise radikalere Gruppen, mit denen die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland ohnehin aktuell vor einer großen Herausforderung stehen. Der Eindruck, dass sich die islamischen Religionsgemeinschaften an der Relativierung islamischer Glaubensgrundsätze beteiligten, hätte auch an dieser Stelle schwerwiegende Folgen und würde jugendliche Muslime in die Arme dieser Gruppierungen treiben.
Nicht zuletzt aus diesem Grunde betonen wir, dass wir auch weiterhin die Entwicklungen in den Islamischen Zentren sehr genau und wohlwollend und ggf. auch kritisch beobachten werden.

Ramazan Uçar Vorsitzender
Bündnis der islamischen Gemeinden
in Norddeutschland e.V.
Mustafa Yoldaş Vorsitzender
Schura – Rat der islamischen
Gemeinschaften in Hamburg e.V.