Der Markt für Halal-Lebensmittel hat in den letzten Jahren auch in Deutschland eine gestiegene Bedeutung erlangt. Eine positive Entwicklung, zeigt sich doch auch hieran, dass die Muslime zu einem festeren und relevanteren Bestandteil der deutschen Gesellschaft werden. Andererseits führt für den muslimischen Verbraucher die steigende Zahl von Halal-Anbietern und –Produkten zu großer Unübersichtlichkeit und Verunsicherung: Was ist tatsächlich halal und wo wird das nur behauptet? Wer kontrolliert und nach welchen Kriterien? Welchen Zertifikaten kann man vertrauen? Tatsächlich sind bei so manchen Halal-Zertifikaten Aussteller und Kriterien nicht transparent und überhaupt lassen viele Hersteller in der Lebensmittelbranche gar nicht zertifizieren, sondern nehmen eine „Selbstdeklarierung“ vor, in dem sie einfach „halal“ auf ihre Produkte schreiben.
Da zudem auch nichtmuslimische Akteure auf den Markt drängen, um Definition und Kontrolle von Halal-Produkten nach rein gewinnorientierten Gesichtspunkten zu übernehmen, stehen die islamischen Religionsgemeinschaften und Verbände in einer besonderen Verantwortung, Wege zu einem religiös abgesicherten und einheitlichen Halal-Standard zu finden. Mit diesem Ziel veranstaltete die Konferenz der islamischen Landesverbände (SCHURA Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg, Islamische Religionsgemeinschaft Hessen, Islamische Föderation Berlin, Koordinationsrat der Muslime Mecklenburg-Vorpommern) eine Fachtagung Halal-Lebensmittel am 17. September in Bremen.
Erschienen waren Vertreter der islamischen Landesverbände und einiger bundesweiter Verbände wie Islamrat, IGMG und IGD, Unternehmensvertreter sowie sonstige Interessierte. Die Tagung wurde eröffnet durch ein Grußwort von Zahra Mohammadzadeh, Grüne Bürgerschaftsabgeordnete in Bremen. Sie betonte auch das Interesse an diesem Thema angesichts der Tatsache, dass Islam und Muslime zu einem festen Bestandteil der deutschen Gesellschaft geworden seien.
Anschließend wurde die Thematik zunächst aus theologischer Sicht diskutiert: Khaled Hanafy vom Rat der Imame und Gelehrten referierte die Grundlagen der Halal-Schlachtung aus Sicht der vier sunnitischen Rechtsschulen und Ayatollah Reza Ramezani vom Islamischen Zentrum Hamburg aus Sicht der Schia. Beide Theologen kamen zu weitgehend identischen Aussagen zu allen relevanten Punkten. Beide stimmten darin überein, dass eine Betäubung des Tieres zulässig sei, wenn dieses zum Zeitpunkt der Schlachtung noch lebe.
Auf einen nicht minder wichtigen Gesichtspunkt ging Dr. Abdul Nasser Al-Masri von der SCHURA Niedersachsen in seinem Vortrag über islamische Ethik bei Tierhaltung und Schlachtung ein: Ein wahrhaft islamischer Umgang mit Tier und Nahrungsmitteln bedeute weit mehr als die Einhaltung der islamrechtlichen Anforderungen etwa bei der Schlachtung. Über die Praxis der Zertifizierung berichteten Yusuf Calkara vom EHZ aus Hamburg und Yavuz Özoguz, Geschäftsführer der Firma m-haditec in Bremen. Sie betonten die Störung des Marktes durch dubiose Zertifikate unklarer Herkunft betonten aber die Kooperation der in Deutschland tätigen seriösen muslimischen Zertifzierer.
Ein Projekt, welches hier Abhilfe schaffen könnte, stellte Rechtsanwalt Norbert Müller aus Hamburg vor: Das RAL-Gütezeichen Halal in Lebensmitteln. RAL, 1925 gegründet als Reichsausschuss für Lieferbedingungen und nunmehr unter dem Namen Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, dürfte in Deutschland wegen der zahlreichen und bekannten RAL-Gütezeichen in unterschiedlichsten Branchen, die wichtigste Institution im Bereich der Gütesicherung sein. Gütezeichen werden nach Anerkennung durch RAL im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes als Kollektivmarke geführt. Deren Träger ist die Gütegemeinschaft, eine von RAL anerkannte Organisation in Form eines eingetragenen Vereins, welche nach festgelegten Gütebedingungen das Gütezeichen vergibt und die Einhaltung überwacht.
Seit einiger Zeit betreiben mehrere muslimische Zertifizierer bei RAL ein Gütesicherungsvorhaben Halal in Lebensmitteln. Dabei wurde zunächst eine Begriffsbestimmung Halal erarbeitet und von RAL in einem Verfahren unter Anhörung maßgeblicher Fach- und Verkehrskreise der Lebensmittelbranche anerkannt. Ebenso liegen im Entwurf Güte- und Prüfbestimmungen sowie eine Satzung für eine zu gründende Gütegemeinschaft vor. Diese sieht drei Kategorien von Mitgliedern vor: Islamische Verbände auf Bundes- und Landesebene, muslimiche Zertifizierer sowie Betriebe, die Halal-Lebensmittel nach den Güte- und Prüfbestimmungen herstellen. Ein Güteausschuss entscheidet über die Vergabe des Gütezeichens und die Überwachung erfolgt durch von der Gütegemeinschaft beauftragte Zertifizierer.
Müller betonte den Vorteil einer solchen Gütegemeinschaft: Islamische Verbände, Zertifizierer und Betriebe könnten zusammen wirken und ein einheitliches Halal-Gütezeichen mit klaren und transparenten Kriterien der Vergabe und Überwachung am Markt etablieren. Die sei ein guter Weg für einen einheitlichen Halal-Standard in Deutschland.
Von den anwesenden islamischen Verbänden wurde dies mit Interesse aufgenommen. Man werde dazu in den Vorständen Beschlüsse herbeiführen. Insgesamt waren alle optimistisch, dass die Gründung einer solchen Gütegemeinschaft werde alsbald erfolgen können.