Das Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland veranstaltete am 24. August mit Gästen aus Religion, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur seinen traditionellen Iftar Empfang im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Iftar Empfänge haben eine lange Tradition, da die soziale Interaktion im Ramadan insbesondere erwünscht ist. Alte Freundschaften werden aufgefrischt, neue entstehen. Die traditionellen Iftar Empfänge des BIG sind einerseits ein Dank für fruchtbare Kooperationen, Zeichen der Wertschätzung und der Öffnung, andererseits sollen durch Begegnung und Austausch der Vielfalt in Hamburg, neue Kontakte und Freundschaften entstehen. Durch das gegenseitige Kennenlernen und den Dialog möchte das BIG dazu beitragen, dass Vorurteile und Unkenntnis abgebaut werden und, dass der Zusammenhalt in Hamburg gestärkt wird.
Die Ansprache des ersten Vorsitzenden des BIG, Imam Ramazan Ucar folgte mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Hr. Senator Scheele,
sehr geehrte Fr. Dr. Schiffer,
sehr geehrter Generalkonsul der Republik Türkei Herr Devrim Öztürk,
sehr geehrte Damen und Herren des diplomatischen Korps,
sehr geehrte Fr. Canel, sehr geehrter Hr. Kahrs,
sehr geehrter Hr. Ücüncü Generalsekräter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs,
sehr geehrter bischöflicher Stellvertreter Hr. Probst Bollmann,
sehr geehrter Hr. Yoldas, Hr. Abdin und Hr. Ramezani Vorsitzender der Schura,
sehr geehrter Hr. Dr. Yilmaz Religionsattache der türkischen Republik,
sehr geehrter Hr. Dr. Altug Vorsitzender der DITIB-Nord,
sehr geehrter Hr. Toklu Vorsitzender der VIKZ,
sehr geehrte Vertreter der Religionsgemeinschaften,
sehr geehrter Bürgermeister von Schleswig Hr. Dahl,
sehr geehrter Bürgermeister von Bad Segeberg Hr. Schönfeld,
sehr geehrte Staatsräte Hr. Pörksen und Hr. Voges,
sehr geehrter Hr. Fock Leiter der Arbeitsagentur Nord
sehr geehrter Hr. Luchterfeld Geschäftsführer Wiesenhof Lohne,
sehr geehrte Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft,
liebe Nachbarn, Freunde und Gemeindemitglieder;ich danke Ihnen, dass Sie auch in diesem Jahr so zahlreich der Einladung zu unserem traditionellen Iftar-Empfang gefolgt sind, welchen wir bereits seit 1990 nun zum 21. Mal veranstalten.Liebe Gäste, für Muslime ist der Ramadan eine Zeit der Besinnung, der Geduld, der Enthaltsamkeit und des Mitgefühls. Es ist Pflicht im Ramadan, Armen und Bedürftigen zu helfen. Wir gedenken insbesondere derer, die in Not sind und nicht nach Sonnenuntergang an einem gedeckten Tisch sitzen. Wir gedenken auch derer, die sich im Krieg befinden und derer, die ihre Angehörigen durch feige Attentate verloren haben.Schockiert hat uns der Doppelanschlag in Norwegen. Es sind vor allem die Hintergründe des Attentäters, die uns nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen lassen können. Schließlich hat er uns sein Weltbild im Internet ausführlich beschrieben: Es ist der Hass auf den Islam und die Muslime, die angeblich Europa bedrohen. Und es ist vor allem der Hass auf all die Menschen, die diesen Kulturkrieg gegen den Islam nicht mitführen wollen, sondern weiter an eine tolerante und offene Gesellschaft glauben.
Der Attentäter ist sicher paranoid. Aber finden wir nicht die Grundzüge dieses Weltbildes – die Diffamierung des Islam wie die Diffamierung von Toleranz und Multikulturalität – vielerorts wieder bis hinein in die Mitte unserer Gesellschaft? Wir finden diesen Hass auf vielen Webseiten im Internet, die immer wieder verharmlosend als „islamkritisch“ bezeichnet werden. Islamfeindlichkeit ist die Ideologie rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa wie die von Wilders, der FPÖ, der Schwedendemokraten und andere. Wir haben hier eine neue politische Formation, die wenig zu tun hat mit dem Rechtsextremismus traditioneller Art. Aber sie ist nicht weniger gefährlich.
Islamophobie ist leider nicht etwa eine Einbildung von Muslimen. Islamophobie ist eine gesellschaftliche Tatsache. Und sie bedroht nicht nur Muslime – und gerade dies zeigen die Norwegen-Attentate – sondern die Gesellschaft insgesamt. Wir müssen die Gefahren solchen Gedankenguts künftig besser erkennen und ihnen gemeinsam entgegen treten: Gegen Hassseiten im Internet und gegen sich auch hier bildende rechtspopulistische Parteien wie „Pro Deutschland“ oder „Die Freiheit“. Aber auch wenn Menschen wie Sarrazin mit Demagogie über „Kopftuchmädchen“ das gesellschaftliche Klima vergiften, sind deutliche Grenzziehungen erforderlich. Leider ist dies in der Vergangenheit nicht immer deutlich genug geschehen.
Am wichtigsten bleibt: Wir müssen weiter gemeinsam Eintreten für eine offene und tolerante Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion gleichberechtigt zusammen leben. Mit dieser Überzeugung müssen wir allen Kulturkriegern und Hasspropagandisten entgegen treten.Ich möchte aber auch meine Freude über die Freiheitsbestrebungen in der arabischen Welt zum Ausdruck bringen. Ich wünsche allen Menschen, dass sie in kürzester Zeit ein friedvolles und menschenwürdiges Leben führen können insbesondere in Libyen, Syrien und im Jemen. Ich verurteile die Gewalt in Israil und Palästina und bete für die gerechte Befriedung dieses Gebietes.
Mit Bestürzung sehe ich die Bilder aus Somalia und Kenia wo mehr als 10 Millionen Menschen unter Hunger und Krieg leiden und ich fordere insbesondere alle Muslime dazu auf im Fastenmonat Ramadan für die Bedürftigen zu spenden und zu beten.Eine Besonderheit des Ramadan ist es auch, Menschen zusammenzuführen. Der verstärkte Austausch unter Verwandten, Freunden und Bekannten macht den Fastenmonat zu einer Zeit der Freude, der Nachbarschaft, der Solidarität, des Zusammenhalts, der inneren Einkehr und des inneren Friedens.Mit unseren traditionellen Iftar – Empfängen möchten wir unseren Gästen aus den Bereichen Religion, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur, nicht nur eine Plattform für den Austausch und Dialog bieten, sondern unsere Wertschätzung und unseren Dank aussprechen, für die vielfachen fruchtbaren Dialoge, Kooperationen und für das uns entgegengebrachte Vertrauen.
Auch in diesem Jahr haben sich unsere 17 Gemeinden, Jugendhäuser, unser Islamisches Wissenschafts- und Bildungsinstitut und unsere Aus- und Weiterbildungszentren an zahlreichen Projekten beteiligt, welche das friedliche Miteinander fördern und den Zusammenhalt stärken sollen.Als Bündnis der islamischen Gemeinden in Norddeutschland betrachten wir es als unsere Bringschuld, uns in die Gesellschaft einzubringen und lassen uns nicht durch die meist mangelnde zur Kenntnisnahme und Würdigung unserer zahlreichen positiven Beiträge von der Mehrheitsgesellschaft, den Behörden und den Medien entmutigen. Leiten lassen wir uns hierbei unter anderem von der Sure 16 Vers 90: „Allah gebietet Gerechtigkeit zu üben und uneigennützig Gutes zu tun und seinen Nächsten zu beschenken; Er verbietet das Schändliche, das Unrechte und Gewalttätige. Er ermahnt euch, auf dass ihr es beherzigt.“ Mehr als 2/3 unserer ca. 20 000 Gemeindebesucher sind deutsche Staatsbürger. Die Gegebenheiten unserer Wahlheimat, die Möglichkeit der Partizipation und der Mitgestaltung sind für unsere mittlerweile weitestgehend in Deutschland sozialisierten Gemeinden von großer Bedeutung. Die Möglichkeit der gleichberechtigten Teilhabe und des Einsatzes unserer Kompetenzen fördert den Zusammenhalt und wirkt der Ausgrenzung und der Fremdenfeindlichkeit entgegen. Mit Sorge verfolgten wir direkt nach seiner Amtsübernahme die Verlautbarungen unseres Innenministers Friedrich, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Somit wiedersprach er der Aussage unseres Bundespräsidenten Christian Wulff und seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble, der Islam gehöre zu Deutschland und führte die Deutsche Islamkonferenz ad absurdum. Es ist sehr bedauerlich, dass der Innenminister den Weg des Spaltens gewählt und Millionen von Muslimen erneut das Gefühl des nicht Willkommenseins vermittelt hat.
Zu unserer Freude hat unser Bürgermeister Hr. Scholz bei seiner gestrigen Iftaransprache in der DITIB-Nord Zentrale unmißverständlich klargestellt. Muslime sind ein Teil Deutschlands und Hamburgs und er werde Anstrengungen unternehmen dies auch in der Gesellschaft zu verankern. Gerne werden wir Ihn nach unseren Kräften dabei unterstützen.Die Gleichbehandlung von Religionen ist die Basis eines respektvollen und gelichberechtigten Miteinanders auf Augenhöhe. Wir freuen uns, dass die unter Ole von Beust begonnenen Gespräche um einen Staatsvertag in der Hansestadt Hamburg nun mit dem neuen Senat unter der Leitung unseres Bürgermeisters Olaf Scholz weitergeführt werden und hoffen, dass sie zügig zum erfolgreichen Abschluss kommen. Hierbei erhoffen wir uns, dass die islamischen Religionsgemeinschaften auch als solche staatlich anerkannt werden.10 Jahre nachdem 11. September erhoffen wir uns Normalität, insbesondere im Umgang mit Muslimen. Die institutionelle Diskriminierung mittels der Verfassungsschutzbehörden muss beendet werden.
Wir werden zeuge von Gedenktagen und Veranstaltungen die an den 11. September erinnern. Wir hoffen, dass die Menschen auch den Opfern im Irak und Afghanistan gedenken.Auch die Fortsetzung des Integrationsbeirates der Stadt Hamburg unter der Leitung des Senators Scheele begrüßen wir sehr. Wir hoffen auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit, die unsere Stadt Hamburg in Sachen Integration weiter voranbringen wird.Der Interreligiöse Dialog ist uns nach wie vor ein wichtiges Anliegen. So fanden auch in diesem Jahr zahlreiche interreligiöse Begegnungen und Gottesdienste statt. Das Projekt „Wer bin ich – Wer bist Du“ ist das Ergebnis einer Kooperation der Islamischen Gemeinde Centrum Moschee, der Evangelisch Lutherischen Kirchengemeinde St. Georg Borgfelde, des Christlichen Vereins Junger Menschen und der Katholischen Studierenden Jugend. Auf diesem Wege möchte ich auch die neue Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs die wir kennen und schätzen zu ihrem Amt beglückwünschen.Die Iftar Empfänge spiegeln den respektvollen Umgang der Vielfalt unserer Stadt. Sie bieten eine Plattform für Austausch und neue Freundschaften. Ein besonderer Dank gilt Ihnen allen, die Sie diesen Abend mit Ihrer Anwesenheit Bereichern.
Ich habe das Buffet gesehen und sicher werden Sie mir spätestens nach dem Essen zustimmen, dass die Köche eine hervorragende Leistung erbracht haben ebenso gilt mein Dank dem Organisationsteam, die seit mehr als 2 Monate für das gelingen dieses Abends gearbeitet haben.Ich wünsche uns allen einen interessanten, bereichernden, genussvollen Abend und vor Allem eine friedvolle Zukunft.“