Özlem Nas – 18.01.2020
Verehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Kundgebung, ich überbringe Euch und Ihnen den Friedensgruß der Schura Hamburg und der Schura Schleswig Holstein: Assalamu alaykum – Friede sei mit Ihnen und Euch allen!
Frieden – ist ein hohes Gut, in Frieden zu leben aber leider – keine Selbstverständlichkeit.
Freiheit ist ein hohes Gut, in Freiheit zu leben aber leider – keine Selbstverständlichkeit.
Wir erheben heute gemeinsam unsere Stimmen gegen eine grausame Menschenrechtsverletzung, die geographisch weit entfernt sein mag, uns jedoch nicht teilnahmslos lassen darf.
Ende letzten Jahres nahm die uigurische Menschenrechtsaktivistin Jewher Tohti den Sacharow-Preis für geistige Freiheit entgegen.
Der höchste Menschenrechtspreis der Europäischen Union galt ihrem Vater, dem uigurischen Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti, der sich für die Rechte der muslimischen Minderheit der Uiguren einsetzte, sich gegen ihre Diskriminierung aussprach und Lösungsvorschläge für einen friedlichen Dialog zwischen der muslimischen Minderheit und den Han-Chinesen darbot.
Ilham Tohti, konnte diesen Preis nicht selbst entgegennehmen. Denn für denselben Aktivismus, für den ihm der höchste Menschenrechtspreis der Europäischen Union verliehen wurde, wurde er 2014 in China festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Angehörigen wissen nicht, wie es psychisch oder physisch um ihn steht.
Seine Tochter sagte vor dem Europäischen Parlament – ich zitiere:
„Es gibt in China keine Freiheit für die Uiguren – weder in der Schule, noch in der Öffentlichkeit, nicht einmal in ihren Privathäusern. Mein Vater wurde, wie die meisten Uiguren, als gewalttätiger Extremist bezeichnet, der an einer Krankheit leide, die geheilt werden, und dessen Geist gereinigt werden müsse. Unter dem Deckmantel des Extremismus hat die Regierung über eine Millionen Menschen in Konzentrationslager gebracht, wo die Uiguren gezwungen werden, ihre Religion, ihre Sprache und ihre Kultur aufzugeben; wo sie gefoltert werden und wo einige gestorben sind.“, Zitat Ende.
Ilham Tohti ist einer von über eine Million muslimischen Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten wie die Kasachen, die seit 2017 in sogenannten Umerziehungslagern festgehalten und gezwungen werden, auf ihre ethnische Identität und auf ihre Religion zu verzichten und der chinesischen Regierung Loyalität zu schwören. Die muslimischen Uiguren sollen umerzogen werden und sich von ihrer Kultur und ihrem Glauben entwurzeln.
Die chinesischen Behörden versuchten zu verschleiern was in den Lagern geschieht. Augenzeugenberichte, geheime Dokumente die an die Öffentlichkeit geraten sind, Material im Netz, Videos und Fotos sprechen jedoch für sich: sie dokumentieren eine intensive Gehirnwäsche, Politische Indoktrination, eine vollständige Videoüberwachung zur absoluten Kontrolle des gesamten Alltags mit dem Ziel, tiefgreifend in die Identität einzugreifen, Folter, Schläge, Auspeitschungen und Todesfälle.
Eine Augenzeugin berichtet folgendes, (ich zitiere):
„Sie spritzten uns einmal pro Woche in den Arm, wir mussten ihn dafür in der Tür durch eine kleine Öffnung stecken. Nach und nach bemerkten wir, dass wir wegen dieser Spritzen keine Periode mehr bekamen, bei mir hörten die Blutungen nach einem Monat in Haft auf. Wir dachten an nichts mehr, nicht mal an unsere Familien. Ich wusste nicht mehr, wo ich geboren war. Mir war als hätte ich immer im Lager gelebt. Wir spürten weder Kälte noch Hunger. Wir fühlten uns wie leblose Stücke Fleisch, die man dort abgeladen hatte.“ – Zitat Ende.
Die muslimische Minderheit verschwand nach und nach von den Straßen Chinas und ihre Angehörigen im Ausland konnten sie nicht mehr erreichen. Eingesperrt in Lagern ist ihnen der Kontakt zur Außenwelt verwehrt, der Besitz von Mobiltelefonen strikt untersagt – eine systematische Internierung einer ganzen ethnoreligiösen Minderheit findet statt und die Welt schaut zu.
Durch diesen kulturellen Völkermord soll die Kultur und vor allem der islamische Glaube der muslimischen Minderheit beseitigt werden. Sie dürfen ihre Sprache nicht sprechen und ihre Religion nicht ausüben.
Ihre Moscheen und Kulturhäuser wurden zerstört und sie werden dazu gezwungen, gegen ihre religiösen Gebote zu verstoßen.
Die Schura Hamburg und die Schura Schleswig Holstein verurteilen diesen kulturellen und religiösen Genozid aufs Schärfste und fordern Deutschland und die EU dazu auf, die Bedeutsamkeit der Menschenrechte über wirtschaftliche Interessen zu stellen und als Zeichen dessen die massenhafte Inhaftierung und Zwangsassimilierung zu verurteilen und in Konsequenz Sanktionen gegen China zu erlassen. Menschenrechte müssen mehr wert sein als wirtschaftliche Interessen! Chinesische Regierungsvertreter müssen für ihre grausamen und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden. Dieser gewaltsame Eingriff in die Rechte und in die Würde der muslimischen Minderheit in China muss ein Ende nehmen! Und dafür stehen wir hier heute gemeinsam ein!
Unser Dank gilt allen heute hier Anwesenden dafür, dass sie gemeinsam mit uns ihre Solidarität kundtun und einstehen für die Menschenrechte und für die Befreiung der Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten aus diesem grausamen Martyrium; wir bedanken uns dafür, dass sie nicht wegschauen und gemeinsam dazu aufrufen, dass politische Verantwortliche endlich Maßnahmen ergreifen, um dieser grausamen Menschenrechtsverletzung ein Ende zu bereiten.
Ich möchte meinen Redebeitrag mit einem Zitat von Jewher Tohti und mit der Hoffnung, dass ihre Worte Gehör finden, abschließen.
Bei der Preisübergabe vor dem Europäischen Parlament sagte sie (ich zitiere): „Ich frage Sie in diesem Raum und alle diejenigen, die zuhören: Sehen Sie ein Problem in der Art und Weise, wie die chinesische Regierung mit den Uiguren umgeht? Wenn Sie ein Problem sehen, dann arbeiten Sie bitte an einer Lösung!“
Vielen Dank