Am 23. Februar ist die Hamburger Bürgerschaftswahl und SCHURA hatte Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien zu einer Wahlinformationsveranstaltung ins Bürgerhaus Wilhelmsburg geladen. Unter der Moderation des freien Journalisten Reiner Scholz nahmen Cansu Özdemir (Linke), Ekkehard Wysocki (SPD), Filiz Demirel (Grüne), Carl Corte (FDP) und Dietrich Wersich (CDU) Stellung zu den für Muslime wichtigsten Themen in diesem Wahlkampf.
Schura lädt ein zur Wahlinformationsveranstaltung 2020
In einem Eingangsstatement betonte Norbert Müller für SCHURA die Bedeutung gerade dieser Bürgerschaftswahl: In den letzten Jahren sei gerade für Muslime eine Änderung des gesellschaftlichen Klimas sehr spürbar. Die Zunahme von Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit hätte die Gesellschaft konfrontativer gemacht. Aufgrund dessen und den teils zugespitzten Debatten um die Rolle des Islam in der Gesellschaft würden sich jetzt auch viele Muslime in Hamburg die Frage stellen, wohin die Entwicklung gehen wird: Zu mehr Teilhabe oder zu mehr Ausgrenzung.
Vertreter der Parteien beschreiben ihre Positionen
Bei den Parteivertreterinnen und -vertretern auf dem Podium fokussierte sich die Debatte schnell auf kontroverse Positionen zum Staatsvertrag Hamburgs mit den islamischen Religionsgemeinschaften SCHURA, DITIB und VIKZ: Özdemir (Linke), Wysocki (SPD) und Demirel (Grüne) betonten unter Herausstellung unterschiedlicher Aspekte die Wichtigkeit des Staatsvertrages für das gesellschaftliche Zusammenleben in der Stadt und stellten in Aussicht, dass ihre Parteien auch in der künftigen Bürgerschaft daran festhalten würden. Die Absicht von SCHURA, auch die Körperschaft öffentlichen Rechts anzustreben, wurde positiv gewürdigt. Dagegen waren die Positionen von FDP und CDU zum Staatsvertrag ablehnend: Diese Parteien forderten die Kündigung des Vertrages. Korte begründete dies für die FDP aus einer prinzipiell laizistischen Position: Man wolle eine klare Trennung zwischen Staat und Religion und lehne deshalb Verträge in dieser Art mit Religionsgemeinschaften ab. Korte wurde daraufhin vorgehalten, angesichts der aktuellen politischen Kontroversen sei diese Position abstrakt und „unpolitisch“. Zudem fordere die FDP scheinbar nicht in gleicher Weise die Kündigung der Staatsverträge mit Kirchen und Jüdischer Gemeinde.
CDU und FDP fordert Vertragskündigung
Die CDU begründete die gerade in letzter Zeit teilweise medial mit gewisser Vehemenz vorgetragene Forderung nach Vertragskündigung – wobei CDU-Vertreter Wersich persönlich eigentlich Vertragsbefürworter ist, sich mit dieser Position inzwischen in seiner Partei aber in der Minderheit befindet – mit der Verbindung von DITIB zur Politik der Türkei und dem Islamischen Zentrum zum Iran, was sich an der Beteiligung am Qudstag in Berlin gezeigt habe. Beides sei für die CDU nicht tragbar. Hiergegen wurde von Özdemir und Wysocki angemerkt, dass bei beiden Konflikten erst der Staatsvertrag den Rahmen gegeben habe, um mit SCHURA und DITIB darüber sich auseinanderzusetzen und in den Religionsgemeinschaften Diskussionsprozesse zu führen. Letztere mit dem Ergebnis, dass sich DITIB-Nord gegenüber dem Bundesverband behaupten konnte und das Islamische Zentrum sich am letztjährigen Qudstag nicht mehr beteiligte. Eine Debatte um die Kündigung des Staatsvertrages in den Wahlkampf zu ziehen sei überhaupt problematisch und könne Wasser auf die Mühlen rechtspopulistischer Kräfte sein.
Zwei Lager mit zwei unterschiedlichen Positionen zum Thema Staatsvertrag mit den Muslimen
Während es also zum Staatsvertrag als solchen anscheinend zwei Lager gab – rot-rot-grün gegen schwarz-gelb – gab es bei einzelnen Sachthemen einen breiten Konsens aller Parteien: Der Hamburger Religionsunterricht für alle wurde einhellig begrüßt und auch die weitere universitäre Ausbildung muslimischer Lehrkräfte hierzu unterstützt. Hierfür sollten auch die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstehen. Auf eine Frage aus dem Publikum nach einem möglichen Kopftuchverbot für muslimische Schülerinnen unter 14 (wie aktuelle in Österreich), erklärten hierzu Özdemir, Wysocki, Demirel und Korte ihre deutliche Ablehnung, da dies ein unzulässiger Eingriff in Religionsfreiheit, elterliches Erziehungsrecht bzw. religiöses Selbstbestimmungsrecht der Mädchen sei.
Gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit
Einig waren sich auch alle Beteiligten in der Einschätzung einer zunehmenden durch Rechtsextremismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit, gerade im Hinblick auf das zunehmende Gewaltpotential.
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