Sehr geehrter Herr Staatsrat Dr. Krupp,
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Politik,
Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Behörden,
Liebe Vertreterinnen und Vertreter unserer Mitgliedsgemeinden,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Verehrte Gäste,
namens von SCHURA Hamburg möchte ich Sie recht herzlich zu unserer heutigen Tagung begrüßen.
Vor fast 5 Jahren, am 13.06.2013, wurde der Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den islamischen Religionsgemeinschaften SCHURA, DITIB und VIKZ von der Bürgerschaft beschlossen und war damit in Kraft getreten. Fast zeitgleich war ein Staatsvertrag ganz ähnlichen Inhalts und gleicher Vertragspartner in Bremen geschlossen worden. Beide Verträge wurden in Politik und Öffentlichkeit von breiter Zustimmung getragen. Nicht nur stimmten in der Hamburgischen Bürgerschaft 110 von 121 Abgeordneten und damit die gesamten Fraktionen von SPD, Grünen und Linken sowie der größte Teil der CDU für den Vertrag. Auch medial war die Resonanz überwiegend positiv: Der Vertrag sei ein Meilenstein der Integration. Er symbolisiere, dass der Islam zu Deutschland bzw. zu Hamburg gehöre. Es wurde die Erwartung geäußert, dass nach Hamburg und Bremen solche Verträge auch in anderen Bundesländern folgen würden.
Hierzu ist es nicht gekommen. Obwohl in Niedersachsen ein mit SCHURA und DITIB ausverhandelter Vertrag vorlag, wurde er nicht vom Landtag beschlossen. In Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wurden geplante formelle Verhandlungen dann doch nicht aufgenommen. Hier in Hamburg ist im letzten Jahr aus den Medien und Teilen der Opposition immer wieder die Aufkündigung bzw. Aussetzung des Staatsvertrages gefordert worden.
Was also hat sich geändert? In erster Linie sind dies die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Augenfällig ist doch, dass mit der AfD eine weitere Partei in der Bürgerschaft sitzt wie auch im Bundestag und den meisten Landtagen, die der pluralistischen Gesellschaft geradezu den Kampf angesagt hat. Eine Partei, bei der Rassismus und Islamfeindlichkeit ein ganz zentraler Punkt ihrer Programmatik und vor allem politischen Agitation ist, bei der wohl nicht nur ihr Magdeburger Fraktionsvorsitzender Poggenburg die Türken bzw. Muslime weit jenseits des Bosporus in die Lehmhütten zu vertreiben wünscht. Eine Partei, die als solche nicht für sich allein steht, sondern für eine politische Strömung, die in vielen Ländern Europas laut auftritt und in den USA derzeit sogar den Präsidenten stellt.
Dies beeinflusst natürlich insgesamt das gesellschaftliche Klima. Es kommt doch nicht von ungefähr, dass 2017 fast 1.000 registrierte – und ich beziehe mich da auf die Angaben des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken – Angriffe auf Muslime und islamische Einrichtungen gab. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen. Ferner gab es noch 1.906 Straftaten gegen Geflüchtete. Offen dargetaner Hass und Gewalt sind aber nur der extremste Ausdruck einer Vergiftung des politischen Klimas, welche natürlich auch auf politische Entscheidungsträger wirkt.
Es stimmt doch bedenklich, wenn der neue Bundesinnenminister mit seiner ersten Wortmeldung festzustellen müssen meint, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Dass dies auf der Faktenebene Unsinn ist, weiss auch Herr Seehofer. Es geht hier aber um politische Ideologisierung. Und es um eine opportunistische Haltung gegenüber Rechten, was gefährlich ist, weil es diese Rechten in ihren Positionen legitimiert. Wir begrüßen es daher sehr, dass die Bundeskanzlerin noch in ihrer Regierungserklärung dem entgegen getreten ist.
Dies steckt den Rahmen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung ab, in der wir uns derzeit befinden. Im Kontext dieser Auseinandersetzung – die eine Auseinandersetzung um die Werte einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft ist – erweist sich die eigentliche Bedeutung und der eigentliche Wert unseres Staatsvertrages. Er steht symbolhaft für eine Gesellschaft der Pluralität und der gleichberechtigten Teilhabe. Er steht symbolhaft nicht nur dafür, dass der Islam zu Hamburg gehört, sondern die Muslime zur Mitte der Gesellschaft, wo sie aber nicht nur geduldet werden, sondern die Muslime und ihre islamischen Institutionen legitimiert sind, an dieser Gesellschaft teilzuhaben und diese aktiv mitzugestalten.
Die Werte dieser freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft stehen ja als „Gemeinsame Wertegrundlagen“ in Artikel 2 des Staatsvertrages: Menschenwürde, Grundrechte, Völkerverständigung und Toleranz, Ächtung von Gewalt und das gemeinsame Eintreten gegen Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben oder religiöser oder politischer Anschauungen.
Es ist wichtig, sich dies in Erinnerung zu rufen. Dies gilt insbesondere angesichts von Konflikten und Herausforderungen. Man muss – auch in einer kritischen Diskussion – die eigenen Grundlagen und Zielorientierungen klären. So hat der aktuelle Konflikt um die Facebook-Postings meines Mitvorsitzenden Mustafa Yoldas zum Krieg der Türkei in Nordsyrien zu einem Klärungsprozess innerhalb von SCHURA bezüglich einiger wichtiger damit zusammenhängenden Grundsatzfragen geführt. Etwa dahingehend, dass, wenn der Islam zu Deutschland gehört, die politische Realität, in der wir agieren, diejenige Deutschlands ist und nicht die der Türkei, Marokkos oder des Iran.
SCHURA hat sich in einer Erklärung nicht nur sofort von einem Missbrauch der Religion zu politischen Zwecken distanziert und alle Betroffenen zu Frieden, Verständigung und Ausgleich aufgerufen. Vielmehr haben wir am letzten Freitag auf einer Mitgliederversammlung nach intensiver Diskussion unter unseren Mitgliedsgemeinden ein Positionspapier zu einigen Prinzipien unserer Tätigkeit verabschiedet: Das Bekenntnis zu einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft, das Engagement gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus, für Dialog und gesellschaftlichen Frieden. Konflikte aus Herkunftsländern sind nicht Gegenstand unserer Tätigkeit, es sei denn, es gibt einen religiösen Bezug wie beim Kampf gegen den IS, sie berühren direkte politische Entscheidungen Deutschlands wie bei der Frage der Beteiligung Deutschlands am Irak-Krieg 2003 oder es geht um humanitäre Fragen wie bezüglich der Rohingya in Myanmar.
Bei all den Grundsatzdiskussionen gerät zu leicht in Vergessenheit, welche erfolgreichen Projekte es in den letzten 5 Jahren im Kontext des Staatsvertrages gegeben hat: Die Weiterentwicklung des Hamburger Religionsunterrichts für alle, die Akademie der Weltreligionen, das Präventionsnetzwerk, die Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen, die Unterstützung von Geflüchteten. Bei all dem ist grundlegend eine institutionalisierte Zusammenarbeit von islamischen Religionsgemeinschaften mit der Stadt, der Politik, anderen Religionsgemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Institutionen. Bei Vielem sind wir in Hamburg viel weiter als anderswo. Und es ist wichtig für das gesellschaftliche Zusammenleben in dieser Stadt.
Gerade in turbulenten Zeiten werden Konflikte nicht ausbleiben. Deshalb wird es immer wieder erforderlich sein, dass wir Farbe bekennen, zu unseren gemeinsamen Werten stehen, an Zusammenarbeit und Kooperation festhalten und unsere praktischen Erfolge wertschätzen. Der Staatsvertrag ist gut für Hamburg. Er wird nicht nur bleiben, sondern wir sollten ihn gemeinsam fortentwickeln. Da gibt es noch einiges zu tun und zu diskutieren etwa in Bezug auf den Körperschaftsstatus, was ja spätestens in 5 Jahren anstehen könnte. Auch praktisch ist noch einiges zu bearbeiten, etwa wenn wir an das weiter nicht gelöster Problem neuer Moscheestandorte für einige unserer immer mehr aus den Nähten platzender Gemeinden.
Zunächst möchte ich mich aber nochmals bei allen Beteiligten und Gästen fürs Kommen bedanken und wünsche uns eine erfolgreiche Tagung.